Bis der Ballon platzt!

Bis der Ballon platzt!

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Demonstration gegen „Stark für Rügen“, einer fremdenfeindlichen „Bewegung“

In Bergen geht es in den letzten Wochen heiß her (wir haben berichtet). Nun haben Menschen aus der größten Stadt auf der Insel Rügen einen Brief an die Stadtverwaltung und Einwohner veröffentlicht. Diesen findet ihr weiter unten. In diesem wird die Diskussionsweise zur Unterbringung von Geflohenen im Bergener Ratskeller kritisiert und man setzt sich für mehr »Mitmenschlichkeit und Pragmatismus« ein.

Unter dessen mobilisieren Rechte aus dem Kreis der „Patrioten Rügen/Rostock/Stralsund“ für Donnerstag, den 25. Februar, zu einer Einwohnerversammlung in der Stadt Bergen, die sich mit dem Thema der Unterbringung im Ratskeller befasst. Am gleichen Tag wird laut interner Informationen der Ratskeller bezogen. An die 150 Geflohene sollen im Ratskeller untergebracht werden. Diese wohnten zum Teil vorher in provisorischen Gemeinschaftsunterkünften in den Jugendherbergen Sellin, Prora und auf dem Darß.

Wir rufen alle Menschen von der Insel, aus Stralsund und aus der Umgebung dazu auf, Flüchtlinge über den Tag hinweg am Ratskeller in Bergen willkommen zu heißen und am Abend um 18:00 Uhr die Einwohnerversammlung in der Aula der „Grundschule Altstadt“ zu besuchen. So haben Rechte Hetzer keine Möglichkeit, diese Plattform des Dialogs für sich zu nutzen.

Auch in Richtenberg gab es vor einigen Tagen eine Aktion von Anhängern der Facebookseite „Patrioten Rügen/Rostock/Stralsund“, die sich gegen die Unterbringung Geflohener im Ort gerichtet hat. Es wurden einige Fahnen aus dem Fenster und hinzu kam Musik von bekannten rechtsextremen Interpreten vom Band. Die Polizei traf erst ein, als die Veranstaltung schon beendet war. Rechte und selbsternannte „besorgte Bürger“ feiern unterdessen sich und die Aktion auf Facebook ab.

Die darauf folgenden Höhepunkte stehen schon fest. Am Freitag möchte die AfD in Stralsund zusammen mit den Patrioten vor dem Stralsunder Rathaus unter dem Motto „Merkel muss weg“ demonstrieren. Am gleichen Tag ist die Bundeskanzlerin in der Hansestadt zu Gast. Am 4.März möchte die fremdenfeindliche „Initiative vereint für Stralsund“ unter dem Motto „Heimat, Freiheit, Zukunft – Asylwahn stoppen! Souveränität einberufen! Bevölkerung schützen!“ in Stralsund demonstrieren.

Offener Brief:

Die Diskussion um den Umgang mit Flüchtlingen in Bergen schadet Ansehen und Entwicklung der Stadt – Bürger mahnen Mitmenschlichkeit und Pragmatismus an

Wir finden es zutiefst beschämend, wie sich die Mehrheit der Stadtvertretung angesichts der Notlage vom Krieg bedrohter Menschen und der Herausforderungen, die dies für uns alle mit sich bringt, verhalten! Statt sich in Gastfreundlichkeit zu üben, ein Vorbild für die Einwohner der Stadt darzustellen und sich somit auch deren Besuchern zu empfehlen, werden alle Register der Panikmache gezogen. So wurde schon behauptet, wenn Flüchtlinge im Zentrum von Bergen zu sehen wären, werde die Kundschaft fernbleiben, das Zentrum veröden und Rechtsradikale könnten gar Feuer legen und auch historische Fachwerkbauten in der Nachbarschaft niederbrennen.

Wegen dieser irrationalen Sichtweise sollen Flüchtlinge statt in einer Unterkunft, welche die bestmöglich Integration befördert, in Turnhallen und Containern am Rande der Stadt unterkommen, obwohl dies – aus gutem Grund – längst vom Landkreis abgelehnt wurde und die CDU in der Stadtvertretung zu keiner Aussage über die Kosten in der Lage war. Dafür möchte sie sogar in private Rechtsverhältnisse eingreifen und die Bürgermeisterin zwingen, Zeit und Geld in aussichtslose Gerichtsverfahren gegen den Landkreis zu investieren.

Natürlich will niemand „Kölner Verhältnisse“, dort handelte es sich aber bekanntlich um eine jugendliche Klientel nordafrikanischer Herkunft, die bewusst große Metropolen aufsucht, um sich dort auf kriminelle Weise zu betätigen. Wer nicht bereit ist, hierbei zu differenzieren und die Silvesternacht von Köln zum Vorwand nimmt, sich abzuwenden, macht sich mitschuldig an der Destabilisierung des sozialen Zusammenhalts auch auf Rügen, wo derartige Probleme nie auftraten. Vielmehr machen die zahlreichen freiwilligen Helfer die besten Erfahrungen mit der herzlichen Dankbarkeit der Flüchtlingsfamilien in anderen Rügener Gemeinden wie Binz, Sassnitz oder Putbus, wo die Hälfte der am vergangenen Subbotnik beteiligten Personen Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan waren.

Mit ihrer provinziellen Xenophobie ist besagte Personengruppe auf dem besten Weg, der Stadt nachhaltigen Schaden zuzufügen, indem sie

– politisch polarisiert, Kräfte der Verwaltung bindet und städtische Ressourcen für unsinnige Vorhaben vergeuden und so die Entwicklung der Innenstadt verzögern (dies umso mehr, als die Mehrheits-Fraktion für eine Expansion von Verkaufsflächen an der Peripherie der Stadt steht),

– den Tourismus schwächt (gerade Angehörige der kultivierten Bildungsschicht der großen Städte würden sich schwerlich in einem Umfeld wohlfühlen, das kalt und berechnend mit bedrängten Menschen umgeht),

– noch vor der Ankunft neuer Einwohnerinnen und Einwohner eine Hürde für deren Integration errichtet, die nur schwer wieder zu überwinden sein wird,

– Rechtspopulisten die Rechtfertigung für deren krude Ideologien und -extremisten den Boden für deren menschenverachtende Taten bereiten.

Wir erwarten demgegenüber einen zeitgemäßen, weltoffenen und pragmatischen Umgang mit dieser weltweiten Herausforderung, der gute Startbedingungen für ein Miteinander von Einheimischen, Neubürgern und Urlaubern schafft. Nur dann kann sich unserer Überzeugung nach die Entwicklung für unsere Stadt zum Guten wenden und wird das Gegenteil des von den „besorgten Bürgern“ skizzierten Szenarios eintreten:

– Betrachten wir die aktuelle Situation als Chance, neue und junge Menschen in die Stadt zu holen und folgen dem Beispiel einiger Gemeinden, die so die demographische Abwärtsspirale bremsen und ihre Schlüsselzuweisungen erhöhen.

– Gehen wir pragmatisch vor, beenden Leerstände, klären anstehende Kostenfragen und tun gemeinsam mit dem Landkreis, was nötig ist!

– Setzen wir die Pläne um, den Markt von Verkehr zu befreien und ihn einladend zu gestalten!

Wir Unterzeichner mahnen eindringlich einen mitmenschlichen Umgang mit der Herausforderung an und fordern alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bergen auf: Suchen wir nach Lösungen für Probleme, anstatt neue zu schaffen und überlassen wir das Feld nicht den Feinden der Demokratie.

Bergen, 22. 2. 2016

ErstunterzeichnerInnen sind
Dietlind Baumann, Notarin
Frank Neitmann, Goldschmied
Oliver Cornelius, Stadtvertreter
Frank Lebahn, Einzelhändler
Kerstin Dobiasch, Notarin
Tino Mehner, Kirchengemeinderat
Alexander Dobiasch, Rechtsanwalt
Kai Plümecke, Gastwirt
Editha Grassl, Rentnerin
Rupert Richter, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Hirsch, Kinderarzt
Joachim Wick, Optiker


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